Perle an zwei Flüssen

Auf einer felsigen Endmoräne über der Elbe gelegen, entstand im 2. Jahrhundert bereits die Burg Tangermünde, um die sich nach und nach eine Stadt ansiedelte. Wahrzeichen ist St. Stephan. Der 94 Meter hohe Turm ist weithin sichtbar.
Tangermünde

Tangermünde liegt 118 Kilometer westlich von Berlin. Die Kleinstadt an der Elbe mit ihren 11 000 Einwohnern steckt voller Geschichte, ist Kaiserstadt und Hansestadt in einem. In der Altmark, der nördlichsten Region des Bundeslandes Sachsen-Anhalts gelegen, gehörte Tangermünde lange zu Brandenburg. Den Namen gab ihr der Fluss Tanger, der hier in die Elbe mündet.

Manche Städte haben einfach Glück, und dann kommen auch noch die Störche. Sieben Nester wurden in der letzten Saison im Stadtgebiet gezählt. So kann sich Tangermünde mit einem Standesamt schmücken, das den Storch gleich mitliefert. Auf dem zentral gelegenen gotischen Rathaus mit seinen Backstein-Zinnen macht sich der große Glücksvogel besonders gut. Das wissen auch die Stadtoberen, die ihren Storch behalten wollen, bei aller Kritik, die es wegen eventueller Verschmutzung immer wieder gibt. Das Klappern der Störche jedenfalls gehört im Sommer zum Sound von Tangermünde. Ende August sind die Störche dann wieder auf dem Weg in den Süden und die Kleinstadt an der Elbe muss ohne diese spezielle tierische Begleitmusik auskommen. Tangermünde ist wie andere Städte in der Altmark eine Hansestadt und wirkt vielleicht schon deshalb so gar nicht provinziell.

Doch Tangermünde ist auch Kaiserstadt. Wer sich ihr über den Elberadweg nähert, staunt nicht schlecht über die gewaltigen Mauern und die Burganlage, die sich über die Stadt erhebt. Besonders stolz ist man in Tangermünde auf die Anwesenheit Kaiser Karls des IV., der im 14. Jahrhundert hier residierte und die Burg ausbauen ließ. Sie gehört zu den größten Backsteinburgen Norddeutschlands. Der damals errichtete Bergfried trägt den Namen Kapitelturm, da er einst als Getreidespeicher für das Berliner Domkapitel diente. Von dem 50 Meter hohen Turm bietet sich ein weiter Ausblick über Tangermünde und Umgebung. Im inneren Burghof ist die alte Kanzlei erhalten, die Karl IV. einst als Tanzsaal errichten ließ. Das barocke Amtshaus dient heute als Hotel. Beliebt ist vor allem die Terrasse, von wo aus der Blick weit über die Elbe reicht. Die angegliederte Kaisertherme macht das Ringhotel Schloss Tangermünde aber auch attraktiv für Wellnessliebhaber.

Die St.-Elisabeth-Kapelle wird seit ihrer umfangreichen Sanierung in den 1990er-Jahren als Konzert- und Ausstellungssaal genutzt. Ihren Beinamen „Salzkirche“ erhielt sie aufgrund ihrer früheren Funktion als königliches Salzmagazin
Nach dem Brand von 1617 und den Verwüstungen aus dem Dreißigjährigen Krieg blühte die Stadt langsam wieder auf mit zahlreichen Fachwerkhäusern
Tangermündes Rathaus im Stil norddeutscher Backsteingotik

Einer, der Geschichte ganz bewusst in seinen Beruf hineingeholt hat, ist der Gastronom und Hotelier Tiemo Schönwald. Kein geborener Tangermünder, ist der unkonventionelle Unternehmer seit 25 Jahren eng mit der Stadt verbunden. Voller Stolz erzählt er von den vielen besonderen Plätzen hier und davon, dass auch er immer wieder Neues in Tangermünde entdecken kann: „Es gibt viele Gassen, lauschige Hinterhöfe und den Hafen, wo sogar Kreuzfahrtschiffe anlegen“. Unbedingt sehenswert sei auch der neugestaltete Platz mit dem Brunnen vor der St.-Stephans-Kirche. Man merkt Tiemo Schönwald an, wieviel ihm seine Stadt bedeutet. Besuchern die Stadt nahezubringen, ist seine Leidenschaft. Zusammen mit Stine Pohl führt er mehrere außergewöhnliche Gaststätten, Pensionen und einen Laden mit regionalen Produkten. Beliebt bei Einheimischen wie Touristen sind die Exempel Gaststuben, eine ehemalige Schule, wo man in einem historischen Klassenzimmer oder einer alten Waschstube speisen kann. „Unsere Mutter, die mit ihren 84 Jahren auch noch bei uns mitarbeitet, hatte die vielen alten Dinge einst für ein Heimatmuseum zusammengesammelt. Das hat sich dann zerschlagen, und so sind wir auf die Idee für unsere erlebnisbetonte Gastronomie gekommen“, erzählt Tiemo Schönwald. Kreativ war man auch bei den Titeln, die die Gerichte bekamen: Der Pfannkuchen heißt dann schon mal „Tafellappen mit Kreidestaub“ und das Schnitzel „Altmärkisches Schuhwerk“. Das Kinderschnitzel steht als „Klein Karls Schuhsohle“ auf der Speisekarte. Eine Besonderheit ist auch das „Kuhschwanzbier“, das seinen Namen einer Legende verdankt. Denn in alten Zeiten soll das Brauwasser aus dem Fluss Tanger entnommen worden sein, an dessen Ufer so manche Kuh graste.

Erlebnisgastronomie: In den Exempel Gaststuben wird in einem einstigen Klassenzimmer und einer historischen Waschstube bewirtet

Sicher ist ein solches Konzept nicht jedermanns Sache, aber die Exempel Gaststuben werden gut angenommen, und gerade für den Abend empfiehlt sich eine längerfristige Reservierung. Doch wem das zu viel Erlebnisgastronomie ist, für den bietet Tangermünde entsprechende Alternativen.

Eine Abstimmung über das Reiseportal Travelbook.de hat Tangermünde 2019 zu „Deutschlands schönster Kleinstadt“ gekürt, vor Rothenburg ob der Tauber und Dinkelsbühl! Trotzdem gilt es immer noch als Geheimtipp.

Karen Schröder
Grete Minde in Bronze vor dem Rathaus

Margarete von Minden

Am 13. September 1617 brannte Tangermünde vollständig ab. Für diesen Brand soll die Waise Grete Minde verantwortlich gewesen sein, die die Stadt aus Rache für ihr vorenthaltenes Erbe ansteckte. Sie wurde zum Tode verurteilt und 1619 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dieses Ereignis diente Theodor Fontane als Vorlage für seine 1880 erschienene Novelle „Grete Minde“

Diesen Artikel teilen:

Mehr zum Thema »Land, Mecklenburg-Vorpommern, Leben, Tagestouren, Natur«