Wohnen mit aufregenden Farben

Der „Extra Bold“-Sessel in leuchtenem Orange vor einer fuchsiafarbenen Wand. Dazu ein grüner Tisch, auf dem eine „Diavoletti“-Vase von Alessandro Mendini und Daniel Eltner in lila steht. Oder: Ein kobaltblauer Hocker „Moustache“, der kleinere Bruder vom Bold-Sessel, steht als eine in sich verschlungene Sitzskulptur vor einem puderrosa gestrichenen Regal, derweil ein gleichtoniges pastelliges Ecksofa (Hay) legere Gemütlichkeit verspricht. Dazu vielleicht lässig drapiert mehrere gestreifte Kissen in gelb, lila oder schwarz-weiß.

Den skulpturalen Designersessel Extra Bold gibt es in verschiedenen Farben

Es geht um Experimente im Farbreigen des Wohnens, worauf sich Hersteller mit Klassikern und Innovationen eingestellt haben. Farbe und Funktion bilden dabei mal eine reduzierte oder eine kunstvolle Paarbeziehung: z. B. beim Thronstuhl „Vescovina Papale“. Dieses nur scheinbar gestrenge Holzmöbel wurde vom Architekten Lanfranco Benvenuti 1986 entworfen und mit neuer Farbe ins Jetzt geholt. Oder bei der Tischleuchte „Triangle“ von HKliving in kobaltblau. Zu den Innovationen gehören die warmes Licht verströmenden „Donuts“ von Ikea mit ihrer weichen geometrischen Anmutung, die als oranger Farbtupfer, schön wie die untergehende Sonne, perfekt ins Wohngemälde passen. Um Gestalt und Farbe sinnfällig zu machen, werden den Möbeln und Gegenständen poetische Namen gegeben wie etwa für den rundlichen Sessel „Pumpkin“ von Pierre Paulin oder „Flamingo“ für ein zierliches Armlehnteil bei Hay.

Die sachliche Pendelleuchte Triangle lässt sich in viele Wohnstile integrieren

Rosa bleibt weiterhin eine wichtige Farbe oder besser: Rosa ist die Farbe der Saison – mit einem Hauch Blau. Süß und elegant, flauschig und sophisticated. Madame Pompadour mit ihren Gemächern und Seidentaftkleidern mag als Patin gestanden haben. Da wäre das rosa Sesselchen auf Metallbeinen von Taccini. Gemütlichkeit zieht mit dem plustrigen „Hortensia“- Chair von Andrés Reisinger und Júlia Esqué aus unzähligem Textilblütenblättern ein. Das Berliner Label „Objekte Unserer Tage“/OUT kreierte ein streng konstruiertes Modulsofa, auch in rosa. So könnte man durch die Designschmieden wandern und den Trend an allen zehn Fingern abzählen. Aber halt, so monochrom ist es dann doch nicht! Denn rund um die Lieblingsfarbe der Saison gibt es eine bunte Palette, die auf Individualität abzielt. Da wo Rosa ist, gehen auch Orange, Rot, Grün, Kobaltblau – oder eben ganz aktuell das intensive Magenta. Der letzte Weiß-Fan mag ins Grübeln geraten.

Unglaublicher Blumensessel: Der argentinische Designer und 3D-Künstler Andrés Reisinge hat ihn mit über 30 000 Stoffblättern überzogen (Hortensia Moooi Sessel)
Minimalistisch elegant: Taccini Kelly Sessel

Etliche Anbieter offerieren daher ihre Möbel in mehreren Farbvarianten. Verner Pantons Kunststofffreischwinger, in den Sechzigern in weiß, signalrot und orange produziert, gibt es jetzt auch in dahlienrot. Und der witzige Hingucker mit riesiger Sitzschale samt seinen Elefantenbeinen „Roly Poly“, ein noch junger Plastik-Lounge-Chair der britischen Designerin Faye Toogood, ist in vielen Tönen, von Gelb, Rosa bis zum „neuen“ Rot zu finden, ganz abgesehen vom – man könnte sagen – formalen Gegenstück, dem zackig behauenen Berliner Holzhocker „Fels“. 

Hocker oder Besitelltisch: „Fels“ wirkt wie eine Skulptur

Fünf Farbtrends von sanften warmen Erdtönen über Blaugrün, tief wie ein Alpensee, bis zum „Very Peri“-Zartlila des Vorjahres und „Digital-Lavender“ ganz aktuell, also zwei leicht diffe-
renten Violetttönen, und dem „Viva Magenta“ als die vom amerikanischen Farbanbieter Pantone offerierte „Farbe 
des Jahres 2023“, sollen „Wohlfühlräume“, „inneren Aufbruch“, „neue Erfahrungen“ und „stilistische Raffinesse“ ermöglichen. Blaugrün, heißt dabei auch gern mal „Entengrün“ und schon hat man die schillernden Flügelfedern der männlichen Wasservögel vor Augen: als Vorhang, Hocker oder Tisch.

Varmblixt Lampe von Sabine Marcellis für Ikea
Roly Poly Plastik-Lounge-Chair in zarten Tönen

An Farbangeboten und Ratschlägen mangelt es nicht. Man muss nur wollen! Farbwanderungen von einem zum anderen Raum inszenieren, Blickachsen schaffen und mit Möbeln und Accessoires die Aufmerksamkeit lenken. Schränke, Vitrinen, Tische und Sessel können als farbliche Kontraste platziert werden oder im gleichen Ton mit der Wand optisch verschwinden. 
Farben sind ein Stimmungsaufheller per se. Nichts gegen die stillen Töne von Brandenburg im Winter mit seinem Himmel-Erde-Sträucher-Spektrum zwischen Oliv und Taubenblau, Ocker und Reihergrau! Farbenfroh meint etwas anderes. Es geht um Intensität und Leuchtkraft – um eine Harmonie, die mal an südliche Gefilde, mal an das „Abtauchen in digitale Welten“ denken lässt. Beruhigend, nachhaltig und realitätsverbunden behaupten sich dazu pure, präzise Naturholzmöbel. 

Anita Wünschmann

Diesen Artikel teilen:

Mehr zum Thema »Leben, Wohnen«