Revolution mit dem Maßband

Für Sema Gedik ist Mode auch ein Ausdruck von gesellschaftliche Zugehörigkeit
Mode für kleinwüchsige Menschen

Sema Gedik spricht mit ihren Entwürfen eine Community an, die von der breiten Modeindustrie bisher gänzlich ignoriert wurde. Ob kleinwüchsige Menschen oder Menschen, die einen Rollstuhl nutzen – wer beeinträchtigt ist oder körperlich nicht in die konventionelle Konfektionsnorm passt, muss sich in der Regel für sein Outfit mit Kompromisslösungen begnügen.

Komfortable und schöne sowie passende Mode als Ausdruck der eigenen Identität ist keine Selbstverständlichkeit.

Ready-to-wear: Mode, die direkt passt und nicht mehr geändert werden muss, gibt es im Online-Shop aufaugenhoehe.design

Sema Gedik entwickelte vor wenigen Jahren während ihres Modedesign-Studiums an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft das weltweit erste Konfektionsgrößensystem für kleinwüchsige Menschen. „Ich wollte Kleidung für eine Gruppe Menschen kreieren, die die Modewelt bisher komplett vernachlässigt hat“, sagt die 33-jährige Berliner Designerin. Aus einem 2013 erfolgreich gestarteten Studienprojekt ging 2018 ihr Mode-Label Auf Augehoehe hervor. „Ich habe weltweit Menschen mit Kleinwuchs vermessen und so Körperdaten gesammelt. Zur Analyse der Proportionen und dem Ableiten von entsprechenden Konfektionsgrößen habe ich mit meinem Team eine passende Software entwickelt.“

Die Stücke aus nachhaltiger Produktion gibt es im Netz: In einem umfangreichen Onlineshop können Kleider, Röcke, Hosen, Hemden, Jacke, T-Shirts und Strumpfwaren geordert werden. Ein Größenguide auf der Website hilft beim Finden der passenden Konfektionsgröße. Mit Hilfe eines Fragebogens können weitere Daten gesammelt und ausgewertet werden.

Das Konfektionssystem wird mittels Datensammlung ständig verbessert

„Mode ist keine Frage der Fähigkeiten, sondern der positiven Haltung gegenüber einer barrierefreien Welt“, betont Gedik. „Miteinander leben, voneinander lernen, gemeinsam wachsen, darum geht es. Diversität und Inklusion sind der Schatz offener Gesellschaften. Mode kann ein Zeichen setzen für alle, die diese inklusive Haltung besitzen“, erklärt sie.

Sema Gedik gründete 2015 das Label „Auf Augenhoehe“

Gediks Überzeugung hinterlässt Eindruck in der Modewelt. Ein Kickstarter-Funding für den Ausbau des Engagements von Auf Augenhoehe, Beratungstätigkeiten für Modeunternehmen sowie eine Gründerinnen-Förderung von Porsche rücken die Expertise von Sema Gedik zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Berührungsängste mit Big Playern und neuen Branchen hat sie nicht, im Gegenteil: „Weltweit bekannte Unternehmen können mit ihrer Kommunikationskraft Einfluss nehmen und die bestehende Welt im besten Sinne verändern.“

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