Jäger und Sammler

Stadt- und Landfüchse

Ein paar tausend Rotfüchse leben in Berlin und das nicht schlecht. Ihr Tisch ist reich gedeckt. Ihre Artgenossen in Brandenburg müssen sich bei der Nahrungssuche schon mehr anstrengen, und sie werden stärker bejagt.

Einmal Stadtfuchs immer Stadtfuchs, profitiert dieser von Essensresten, die Menschen in den Straßen und in Parks hinterlassen

Die einen werden im Durchschnitt nur anderthalb Jahre alt, die anderen stolze neun Jahre. Die einen fressen durcheinander, was ihnen reichhaltig vor die Schnauze kommt, die anderen müssen sich um Nahrung schon mehr bemühen. Stadtfüchse sind eher Sammler, Landfüchse sind eher Jäger. Im Raum Berlin-Brandenburg sind das sogar verschiedene Spezies. Dazu wurden DNA-Proben von 600 Füchsen in Berlin und Brandenburg untersucht. „Wie sich herausgestellt hat, sind das genetisch zwei unterschiedliche Populationen“, so Sophia Kimmig vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Ob die genetischen Unterschiede der Stadt- und Landfüchse womöglich auch durch die Teilung Berlins bis 1989 mit bedingt sind, das wissen die Forscher nicht so genau, halten es aber für möglich. Andererseits sind Stadt und Umland seit 30 Jahren wieder vereint. Die Tiere indes haben ihre Gewohnheiten beibehalten und bewegen sich nur selten über die jeweilige Landesgrenze hinaus. Wie kommt es, dass die Stadt- und Landfüchse so wenig Austausch untereinander haben? Untersucht wurde in dem Zusammenhang auch, welche anderen Landschaftsbarrieren wie dichte Bebauung, Parks und Gewässer zu der genetischen Verteilung führten. Dass die Stadtfüchse Inselbewohner geblieben sind, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass die Landfüchse Angst vor den Herausforderungen des urbanen Lebens haben. Die Stadtfüchse ihrerseits schätzen ihren lukrativen Lebensraum.

Schon in den 1950er-Jahren wurden erste Rotfüchse im Stadtgebiet beobachtet, aber erst seit den 1990er-Jahre verteilen sie sich über die gesamte Stadt. Wie viele Füchse in Berlin leben, da sind sich die Fachleute nicht sicher. Die Angaben reichen von 1 700 bis zu 5 000 Tiere.

Die Population der Landfüchse ernährt sich abwechslungsreicher als ihre urbanen Verwandten, muss sich dafür aber bei der Nahrungsbeschaffung mehr anstrengen

In der Regel bekommen Stadtmenschen die Füchse in ihrer Nachbarschaft selten zu Gesicht. Nur gegen Herbst gibt es immer wieder Irritationen. Dann kommen Jungfüchse auf der Suche nach einem eigenen Territorium den Menschen zuweilen sehr nahe. Keinesfalls sollte man die Tiere aber füttern, weil sie sonst ihre natürliche Scheu vor dem Menschen verlieren.

Einige Füchse leben als Einzelgänger, andere in verschiedenen familiären Gemeinschaften. Anders als Landfüchse, die meist allein oder paarweise auftreten, bilden Stadtfüchse gern größere Gruppen. Um das Verhalten der Füchse besser zu verstehen, wurden für das aktuelle Forschungsvorhaben insgesamt siebzehn Tiere eingefangen und mit einem Sender ausgestattet. Damit man sie besser auseinanderhalten kann, haben sie Namen bekommen, Rudi, Portus, El Presidente. Letzterer lebt nahe dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Sophia Kimmig: „Die Ergebnisse sind noch nicht abschließend ausgewertet, was wir aber wissen ist, dass es große Unterschiede zwischen den Tieren gibt. Manche haben große Reviere, andere sehr kleine.“ Es habe sich gezeigt, dass einige Tiere regelrechte Exkursionen aus ihren Gebieten heraus unternahmen. Ein Fuchs zum Beispiel sei in einer einzigen Nacht fünfzehn Kilometer in einen anderen Stadtteil und wieder zurück gelaufen. Für ihre Ausflüge nutzen Füchse nicht, wie man meinen könnte, grüne Korridore, etwa Parks oder Gärten. Lieber sind sie auf den großen Verkehrstrassen unterwegs, entlang der S-Bahnlinien oder der Stadtautobahn. Hier begegnen sie den Menschen nicht direkt, setzen sich aber dem Risiko aus, überfahren zu werden. Landfüchsen käme ein solch todesmutiges Verhalten nicht in den Sinn. Auch ein Grund, warum sie sich nicht in die Stadt wagen.

Mitunter werden Füchse beim Spielen selbst mitten in Wohnquartieren gesichtet

Nach einer Tragzeit von etwas über 50 Tagen gebiert die Fähe im Frühjahr durchschnittlich vier bis sechs Junge. Sie werden einen guten Monat lang gesäugt und verlassen dann erstmals den Bau. Im Alter von drei bis vier Monaten sind die Jungfüchse schon selbständig. Geht es auf den Herbst zu, verlässt ein Teil der Jungtiere das elterliche Revier auf der Suche nach einem eigenen Territorium. Teilweise werden sie von den Eltern regelrecht vertrieben. Eine kritische Phase, weil Stadtfüchse gerade dann den Menschen recht nahe kommen können.

Die Stadtfüchse allerdings schätzen ihren Lebensraum, bietet er doch ein reichhaltiges Nahrungsangebot: men-schliche Essensreste, Hundefutter und Obst aus den Kleingärten. Füchse sind Allesfresser. Kommen dann noch ein paar Mäuse oder Ratten auf den Speiseplan, ist der Fuchs gänzlich zufrieden. „Nahrung ist in der Stadt nicht nur reichhaltiger vorhanden, sondern sie ist auch hochkalorischer. Das Nahrungsspektrum der Stadtfüchse ist auf der anderen Seite nicht so breit. Auf dem Land fressen Füchse beispielsweise in größerem Umfang verschiedene Insektenarten“, sagt Sophia Kimmig. Stadtfüchse gelten deshalb auch als faul im Vergleich zu den Landfüchsen. Ihre Streifgebiete sind in der Regel kleiner. Auch bei der Wohnungsbeschaffung machen es sich die Stadtfüchse leichter als ihre ländlichen Nachbarn. Sie graben weniger Erdbauten, und nutzen gern vorhandene Strukturen wie Container oder Gartenschuppen. In den Berliner Forsten hingegen wurden nur wenige Baue gefunden. Den Lebensraum Wald überlassen die Stadtfüchse lieber ihren ländlichen Artgenossen.

Karen Schröder

Diesen Artikel teilen:

Mehr zum Thema »Stadt, Land, Natur, Ökologie«