Figuren am Rand

In der Maske für die Rolle des Krimikommissars
Interview mit Sascha Geršak

Sascha Geršak, 44, hat schon in vielen hochkarätigen Filmen mitgewirkt. Mit dem Kinofilm „Fünf Jahre Leben“ wurde er einem größeren Publikum bekannt. Davor spielte der gebürtige Baden-Württemberger u. a. Theater in Zürich. 
Letztes Jahr war er in „Gladbeck“ als Geiselnehmer Hans-Jürgen Rösner zu sehen. Berliner Leben traf den Schauspieler an seinem aktuellen Drehort im Industrieviertel in Tempelhof. 

Sie drehen gerade einen Krimi-Vierteiler, eine Romanverfilmung, die auf wahren Ereignissen beruht. Was können Sie schon verraten?

Ich spiele einen Kriminalkommissar, bei dem sich gerade privat sehr viel verändert. Seine Mutter wird dement, seine Frau betrügt ihn und seine Tochter wird erwachsen. Das alles fast gleichzeitig ist zu viel für ihn. Aber er gibt nicht auf, obwohl er ungeheuren Schmerz erleidet. Beruflich verstrickt er sich auf fatale Weise, es geht um Erpressung, er gerät in Schwierigkeiten, aus denen er so einfach nicht mehr heraus kommt. Denn er trifft falsche Entscheidungen und wird immer stärker in den Strudel der Ereignisse gezogen samt seiner Kollegin, die übrigens Petra Schmidt-Schaller spielt. Der Fall, in dem er ermittelt, ist natürlich hoch spannend und es kommt zu verschiedenen Wendungen mit einem überraschenden Ende. Mehr kann ich leider nicht verraten.

Buch und Drehbuch hat Holger Karsten Schmidt geschrieben, der auch den Zweiteiler „Gladbeck“ verfasst hat, in dem Sie den Geiselnehmer Rösner spielen. Wie hat die Rolle nachgewirkt und war sie ein Art Durchbruch in der Fernsehwelt?

Die Figur Rösner hat lange bei mir nachgewirkt. Zwangsläufig musste ich in die Rolle einsteigen und konnte sie nicht wie sonst frei kreieren. Dieser Rösner ist echt und sämtliche Videodokumente über ihn sind es ebenso. Er und Degowski wurden innerhalb von 54 Stunden Medienstars. Beide mit verkorkster Kindheit bekamen plötzlich Aufmerksamkeit von allen Seiten, wie sie es sich hätten nie erträumen können.

Ich hatte mich anfangs gefragt, warum man die beiden und das Geiseldrama noch einmal so präsentieren muss. Der Regisseur Kilian Riedhoff konnte mich schließlich überzeugen, wie wichtig der Film inhaltlich ist und dass es dabei um Aufarbeitung und Übertragung auf unsere heutige Zeit geht, in der fast jeder ein Smartphone dabei hat und kaum Skrupel bestehen, schnell mal bei einer Unfallleiche auf der Autobahn draufzuhalten. Der Film hatte einen gute Grund.

Aktuell kommt der Krimi „Unschuldig“ ins Fernsehen. Ein Familiendrama, in dem Sie den Bruder eines verurteilten Mörders spielen.

Krimi ja, aber nicht nur. Der Film ist auch eine große Tragödie um eine Bruderliebe. Ein Vater von zwei Kindern steht unter Verdacht, aus Eifersucht seine Frau erschlagen zu haben. Nach sieben Jahren wird der Prozess neu aufgerollt und er wird freigelassen. Sein Bruder, den ich verkörpere, hat aus vielerlei Gründen ein besonderes Interesse daran, sich für die Rehabilitierung des zu unrecht Verurteilten einzusetzen

Daniel (Sascha Geršak) glaubt an die Unschuld seines Bruders Alex (Felix Klare) in „Unschuldig“ , Samstag, den 7.12. 2019, um 20:15 Uhr im Ersten

Sie sind viel beschäftigt und Vater dreier Kinder. Wie lässt sich das Familienleben mit dem unsteten Schauspielerberuf vereinbaren?

Das ist nicht einfach. Da kommt man auch schnell mal an seine Grenzen. Aber meine Kinder kennen es nicht anders und wissen, dass ich immer mal wieder auf eine Reise gehe. Und wenn es sich einrichten lässt, nehme ich sie auch gerne mit. Manchmal dreht man ja auch an schönen Orten.

Sie hatten keine rosige Kindheit, was die Schulzeit angeht und und sind nach der neunten Klasse abgegangen. Wie ist es für Sie heute, auf diese Lebensphase zurückzuschauen?

Ich hatte es ziemlich schwer. Damals waren die Schulen auch noch andere. Der Unterricht hat mich nicht wirklich interessiert. Das Klassenzimmer war meine Bühne, meine Mitschüler waren das Publikum und die Lehrer waren meine Feinde – gegen die musste ich anspielen. Ich habe später trotzdem die die Dinge gelernt, die ich fürs Leben brauche.

Sie waren der Klassenclown?

So in etwa. Aber ich war auch der Aggressor und habe genervt und provoziert – weil ich mich in der Schule gelangweilt habe.

„Mich gibt's in keiner Soap in keiner Telenovela.
Mich gibt's auch in keinem Herzkinofilm.
Da pass ich vom Typ nicht rein.“
 

Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen?

Ich habe schon mit fünf im Kindertheater gespielt. Meine Mutter fand, dass ich Talent hatte. Mit 15 habe ich eine Facharbeiterlehre als Kunststoffformgeber gemacht, aber nie ernsthaft in dem Beruf gearbeitet. Nach dem Zivildienst bin ich erst mal gereist und habe gekellnert und bin dann mit 25 auf die Schauspielschule in Zürich gegangen.

Der Film „Fünf Jahre Leben“ hat großes Aufsehen gemacht. Wie haben Sie sich auf die Rolle des Murat Kurnaz vorbereitet?

Ich habe Murat Kurnaz persönlich getroffen – anders als bei Rösner, dem hätte ich nicht begegnen wollen. Bei Kurnaz war es mir wichtig, weil sein Schicksal, fünf Jahre im Gefängnis auf Kuba gefoltert zu werden, das Opfergefühl schlechthin bei mir ausgelöst hat. Bis ich erkannt habe, dass er gar kein Opfer ist, selbst wenn er permanent perfide verhört und gequält wurde. Kurnaz ist ein Held, ein Überlebenskämpfer, der im Kern so stark ist, dass er das alles durchsteht.

Lehnen Sie auch mal eine Rolle ab?

Also wenn ich den berühmtesten Geiselnehmer Deutschlands gespielt habe und dann ständig Geiselnehmeranfragen bekomme,  lehne ich schon mal ab.

Im kommenden Weihnachtstatort aus Münster spielen Sie einen Geiselnehmer ...

Reiner Zufall. Es ist ja der Weihnachtsmann, den ich spiele.

Neuer Spreewaldkrimi „Zeit der Wölfe“: Sascha Geršak als Polizist mit Filmtochter (Alina Stiegler)

Was für Rollen reizen Sie besonders?

Reizvoll sind für mich die Figuren, die am Rand stehen. Die werden auf spezielle Weise wahrgenommen. Im Spreewaldkrimi, der nächstes Jahr ausgestrahlt wird, spiele ich einen Polizisten im Hintergrund, der erst allmählich ausbricht und seine eigene Sicht auf Recht und Gesetz hat. Es ist vor allem das Genre, um das es mir geht. Mich gibt’s in keiner Soap und in keiner Telenovela. Mich gibt’s auch in keinem Herzkinofilm. Da pass ich als Typ nicht rein. Und aus der Ecke werde ich auch nicht angefragt.

Glatte Gestalten und weniger schwierige Charaktere sind aber auch drin?

Absolut. Denn in der Art der Figur möchte ich mich nicht limitieren. Ich kann von Glück reden, dass die Filme, die ich in den letzten 15 Jahren gemacht habe, meistens Qualität geliefert haben.

Aufgewachsen sind Sie in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg, in Balingen, und leben schon viele Jahre in Berlin. Fühlen Sie sich als Berliner?

Nein. Ich bin ja keiner. Aber ich fühle mich auch nicht als Gast, sondern zu Hause. Mir gefällt Berlin. Die Winter sind hart, die Nächte sind lang und der Ton ist rau, aber ich mag die Stadt. Ich passe hier gut her.

Wie empfanden Sie die Schwabendebatte in Prenzlauer Berg vor ein paar Jahren?

Ich habe davon nicht viel mitbekommen. Ich bin als Migrantenkind aus Slowenien im Schwabenland aufgewachsen und habe nie Rassismus erfahren. Und in Berlin bin ich mit offenen Armen aufgenommen worden und habe mich schnell zugehörig gefühlt.

Danke für das Gespräch.

Ina Hegenberger

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