Meine Energie ist überall

Interview mit Alessija Lause

Markante Stimme, strahlende Augen und Locken zum Neidischwerden, gepaart mit Selbstbewusstsein und Können – einmal auf der Bühne oder dem Bildschirm gesehen, hinterlässt Alessija Lause einen bleibenden Eindruck. Die in Bayern geborene deutsch-kroatische Schauspielerin, die nie auf einer staatlichen Schauspielschule war, ist heute im Theater, in Filmen und Serien – und in Berlin zu Hause. Sie spricht mehrere Sprachen und hat früher als Stunt-Frau gearbeitet. Berliner Leben traf sie in einem Kreuzberger Café.

Welche Vorstellungen hatten Sie vom Schauspielberuf?

Ich habe ja als Kind zum ersten Mal in den Beruf reingeschnuppert. Damals ging es mir einfach um die Freude am Spiel. Heute fasziniert mich daran am meisten, dass ich durch das Eintauchen in verschiedene Rollen und Geschichten ein breites Spektrum an Menschen besser kennen und verstehen lerne, ihre Geschichte erzählen und bestenfalls durch mein Spiel die Zuschauer mitnehmen, Empathie evozieren kann.

Kamen Ihre Eltern aus der Filmbranche?

Meine Eltern sind beide sehr kreative Menschen und sehr erfolgreich in ihren Berufen, haben aber beide nichts mit der Filmbranche zu tun.

Sie haben mit Ihrer Familie eine Zeitlang in Magdeburg gelebt und dort einen Teil Ihrer Schulzeit verbracht. 2019 waren Sie im Magdeburger Polizeiruf zu sehen, in einer außergewöhnlichen Rolle ...

Ja. Es war der Polizeiruf 110: „Zehn Rosen“, in dem ich die Transfrau Pauline spiele. Das war ein großes Geschenk für mich, diese Figur verkörpern zu dürfen.

In „Zehn Rosen“ ging es, neben dem zu lösenden Verbrechen, um Respekt und Akzeptanz. Ihre Figur, die Pauline, war früher Paul. Im Zusammenhang mit dieser Verwandlung haben Sie gesagt, Sie waren erstaunt, wie groß doch die feminine Seite an Ihnen ist. Hat Sie nicht eher der maskuline Anteil überrascht?

Nein, der ist mir bewusst. Ich weiß, dass ich viel Power in mir habe, die maskulin gelesen wird, wie Durchsetzungskraft, auf-den-Tisch-hauen-können etc. – wenn man in den altbackenen männlich-weiblich-Schablonen denkt, die ja heute zum Glück immer mehr aufweichen und verschwinden. Aber das ist es ja gerade. Wer legt fest, was explizit männlich oder weiblich ist? Es ist gut, dass diese vorgefertigten Normen verschwinden und man bestimmte Eigenschaften nicht primär immer nur einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zuordnet.

Was waren die Werte Ihrer Kindheit?

Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem sich alle auf Augenhöhe begegnen. Mir wurde immer vorgelebt, dass alles möglich ist, wenn man es will. Meine Eltern haben beide Karriere gemacht und parallel ein Kind großgezogen. Erst sehr viel später ist mir bewusst geworden, dass es nicht in allen Familien so aussieht, und die Frauen sich oft sehr zurücknehmen, was ihre Entfaltung angeht.

Schauspielerin Alessija Lause, 41 wohnt in Berlin-Kreuzberg

Gehen Sie gern zu Castings?

Auf jeden Fall! Ich liebe Castings. Ich gehe da rein, mache alle Schleusen auf und habe einfach Spaß. Ich versuche, den Casting-Prozess von dem Ergebnis zu trennen. Alles was für mich bestimmt ist, verwirklicht sich und kommt dann auch zu mir. Und wenn es mal nicht klappt, dann war es nicht für mein Leben bestimmt.

Sie stehen derzeit in der Komödie „Rent a Friend“ im Schlosspark Theater neben Caroline Beil, Bürger Lars Dietrich und Torsten Münchow auf der Bühne und spielen eine Businessfrau. Sind Sie das im wahren Leben auch?

Das wäre toll! Dafür muss man seine Energie aber sehr gut kanalisieren können und meine Energie ist meist überall. Aber auf den Punkt fokussiert und geradlinig zu sein, finde ich durchaus spannend, und es gelingt mir immer besser. Das ist etwas, das ich durch meine Rolle in der Netflix-Serie „Kleo“ gelernt habe, die dieses Jahr zu sehen sein wird. Dort bin ich als Antagonistin meiner tollen Kollegin Jella Haase zu sehen, welche die Hauptrolle spielt. Ich finde Menschen faszinierend, die genau wissen, was sie wollen und alles punktgenau darauf anwenden können, um es zu bekommen. Ich habe es geliebt, diese Rolle zu spielen!

Welches Verhältnis haben Sie zu Serien und Streaming-Plattformen?

Ich schaue sehr viele Serien, die im Fernsehprogramm wie auch bei Streamingdiensten zu sehen sind. Es gibt tolle Formate und hochqualitativ erzählte Geschichten. Ich bin sehr daran interessiert zu sehen, was unsere Branche macht und wie. Ich finde es großartig, dass es Streamingdienste gibt. Sie lockern den Markt auf, sodass sich alteingesessene Sender bewegen müssen, um noch mithalten zu können. Die Streamingdienste sind oftmals mutiger, risikobereiter und offener für Geschichten und Erzählweisen und gestehen dem Publikum Intelligenz zu. Der positive Einfluss dieser Dienste auf das Programm der öffentlich-rechtlichen und auch privaten Sender macht sich immer bemerkbarer, auch was die Themen Diversität und Inklusivität angeht. Das ist toll!

Wie attraktiv ist der Schauspiel-Beruf für den Nachwuchs?

Wie bei jedem Beruf gilt auch hier: Was ist dein Antrieb, um diesen Beruf ausüben zu wollen? Hier möchte ich meinen wunderbaren Schauspiellehrer Larry Moss zitieren: „It’s not about you. It’s about the writer and the play.“ Wir sind Geschichtenerzähler. Wir erzählen Geschichten, um etwas zu bewirken, zu heilen, Trost zu spenden, aufzurütteln, zu entsetzen, zu bewegen ...
Das ist das, was meiner Meinung nach, dem Schauspielberuf zugrunde liegt. Wenn es jemandem aber primär um die Selbstdarstellung geht, würde ich dem Menschen dringlich von dem Beruf abraten. Dafür gibt es in unserer hoch kommerzialisierten Welt unzählige andere Kanäle zum Austoben.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Neben „Kleo“ startet dieses Jahr bei TV Now der sehr ergreifende und auf wahren Begebenheiten basierende Film „Das weiße Schweigen“ mit Julia Jentsch und Kostja Ullmann in den Hauptrollen. Allein die Lektüre des Drehbuchs hat mich jedes Mal zum Weinen gebracht. Zudem brennt der Wunsch in mir, Regie zu führen. Ich arbeite gerade daran, diesen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.

Sie wohnen mitten in Kreuzberg. Wo entspannen Sie am liebsten?

Ich habe zwei aus dem Tierheim adoptierte Hunde und bin mit ihnen sehr viel in der Natur unterwegs. Ich liebe die grünen Ecken Berlins. Klein-Venedig ist wunderbar! Das Südgelände finde ich eigentlich auch schön, aber da man dort LEIDER keine Hunde mitnehmen darf, bin ich da kaum mehr.

Was verbindet Sie mit Berlin?

Als ich 1994 nach Berlin gezogen bin, hatte ich das Gefühl, das erste Mal richtig atmen zu können. Ich habe mich hier immer gut und zu Hause gefühlt und auf eine gewisse Weise behütet. Alles war möglich und unbegrenzt. Mittlerweile ändert sich das leider. Berlin ist sehr konform geworden. Wenn Berlin nicht aufpasst, ist die Stadt bald gesichtslos und hat nichts mehr zu bieten. Ich wünsche mir, dass die Stadt aufhört, sich kommerziellen Trends anzupassen. Berlin sollte bei sich bleiben und vor allem Raum für Kunst und Fantasie lassen. Das, was vom Urherzschlag Berlins noch übrig ist, sollte unbedingt erhalten bleiben.

Danke für das Gespräch.

Barbara Sommerer

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